Eine Weltanschauung ist ein Netzwerk, ein ganzes Geflecht von miteinander verwobenen und verbundenen Überzeugungen über die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit könnte man als den Bereich verstehen, der Gott, den Menschen und die Welt umfasst. Die Überzeugungen über Gott können folgender Weise aussehen: Gott exisitert; Gott exisitert nicht; Gott kann nicht erkannt werden, selbst wenn er existiert. Typische Überzeugungen über den Menschen heutzutage sind, dass der Mensch vom Kern her gut ist. Diese Ansicht ist z. B. dem Humanismus eigen. Als Christ vertritt man die biblische Sicht, dass der Mensch wegen dem Sündenfall vom Wesen her zum Bösen und Egoismus neigt. Die Welt, in der der Mensch lebt, hat entweder eine personale Ursache (Schöpfung durch Gott), eine nicht-personale Ursache (z. B. kosmische Evolution), existiert ewig oder ist nur eine Illusion und existiert gar nicht (Hinduismus). Das Besondere an diesen Überzeugungen über die Wirklichkeit ist, dass sie von ihrem Charakter her grundlegend sind und andere Überzeugungen an Tiefe übersteigen. Darum werden diese grundlegenden Überzeugungen auch Grundannahmen genannt. Der Fachausdruck für diese grundlegenden Überzeugungen oder Grundannahmen über die Wirklichkeit lautet Präsuppositionen.
Wie schon angedeutet wurde, so hat jeder Mensch mehr oder weniger tief sitzende Grundannahmen. Das lässt sich an einer kleinen Geschichte veranschaulichen:
Bei einem Mann trat ein außergewöhnliches psychisches Leiden auf, so dass er tatsächlich davon überzeugt war, gestorben zu sein. Für jedes Argument, das man ihm brachte, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen, fand er eine Antwort. Seine Fähigkeit zu Laufen und zu Reden z. B. hing angeblich damit zusammen, dass bei Toten Muskelzuckungen auftreten konnten usw. Die Familienangehörigen waren nach einer gewissen Zeit frustriert und brachten ihn zu einem Psychologen. Er führte einige Tests mit dem Mann durch und zeigte ihm die Ergebnisse: „Sehen Sie? Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass Sie am Leben sind. Die Fakten beweisen es: Sie sind nicht tot!“ Der Patient erwiderte: „Wissen Sie Herr Doktor, wer weiß, ob Sie die richtigen Tests angewandt haben oder den Leuten im Labor kein Fehler unterlaufen ist bei der Auswertung oder gar die Unterlagen vertauscht wurden und das die Ergebnisse von jemand anderem sind...“ Nun hatte auch der Psychiater genug und fragte: „Können Tote bluten?“ Der Mann überlegte kurz und sagte: „Nein, Tote können auf keinen Fall bluten.“ Da griff der Arzt schnell nach einer Nadel und stach den Mann in seinen Unterarm. Sofort quoll ein wenig Blut hervor. „Was sagen Sie jetzt?“, fragte der Arzt. Der Mann blickte auf und sagte voll erstaunen: „Das ist unglaublich! Tote können wirklich bluten...“
Diese Geschichte zeigt auf humorvolle Weise, was oben beschrieben wurde. Der Mensch hält tiefe und weniger tiefe Grundannahmen über die Wirklichkeit (über Gott, den Menschen und die Welt). Die tief sitzenden Grundannahmen des Patienten ist eindeutig, dass er gestorben war und tot ist. Die Überzeugung, dass Tote nicht bluten können, war eine höher gehaltene Grundannahmen über die Wirklichkeit. Eine Weltanschauung setzt sich aus den tief sitzenden und schwer aufgebbaren oder fast unaufgebbaren Grundannahmen.
In dieser Geschichte lernen wir auch, dass der Mensch höher gehaltene Grundannahmen zugunsten der tiefer gehaltenen aufgibt oder sie anpasst und sinnvoll in sein bestehendes Netzwerk von Grundannahmen einordnet. Das ist entscheidend für unser Verständnis dafür, was in evangelistischen und apologetischen Gespräche geschieht. Ein kurzer Artikel über die wichtige Rolle der Weltanschauung finden sich hier.
Wenn man die verschiedenen Weltanschauungen als Kreis darstellt, dann würden sich zwei christliche Weltanschau-ungen wie z. B. die eines Lutheraners und eines Baptisten fast ganz überschneiden. Eine islamische Weltanschauung würde eine gewisse kleine Schnittmenge mit der eines Christen haben, aber eine atheistische und hinduistische Weltanschauung können überhaupt keine Schnittmenge aufweisen.
Jede Weltanschauung kann auf eine grundlegende Aussage heruntergebrochen werden. Diese Aussage kann auch als Prüfstein-Aussage, Kontrollüberzeugung oder ultimative Grundannahme bezeichnet werden:
„Im Zentrum jeder Weltanschauung ist das, was man als eine „Prüfstein-Aussage“ der jeweiligen Weltanschauung bezeichnen kann; eine Aussage, die als die fundamentale Wahrheit über die Realität gehalten wird und als Kriterium dient, um zu bestimmen, welche Aussagen als Kandidaten für die eigene Überzeugung in Frage kommen und welche nicht. Wenn eine getätigte Aussage P als inkonsistent mit der Prüfstein-Aussage oder der eigenen Weltanschauung erscheint, dann muss, solange man die Weltanschauung hält, die Aussage P als falsch betrachtet werden.“ 1
In diesem Zusammenhang muss etwas spannendes erwähnt werden, wenn es um die interne Prüfung von Weltanschauungen geht. Es ist eine Sache, ob sich zwei "höher" oder "weniger tief" gehaltene Grundannahmen innerhalb der Weltanschauung an irgendeiner Stelle widersprechen. Zum Beispiel könnte eine Mutter annehmen, dass ihr Kind ein Engel ist und es bis aufs Blut gegen die Anklage verteidigen, es habe das Pausengeld anderer Kinder gestohlen. Gleichzeitig lässt sie ihr Kind aber zu Hause niemals mit ihrer Geldbörse alleine in einem Raum, weil sie tief im Inneren doch weiß, dass es ein kleiner Satansbraten ist. Das Problem ist aber ein ganz anderes, wenn diese ultimative Grundüberzeugung über die Wirklichkeit, die im "Zentrum" jeder Weltanschauung angesiedelt ist und sie quasi zusammenfasst, sich selbst widerlegt; wenn sie sich selbst Ad absurdum führt und die gesamte Weltanschauung daraufhin nach einer internen Kritik, einer Prüfung von innen her zusammenbricht.
Um das zu veranschaulichen soll der Skeptizismus herangezogen werden. Die ultimative Grundannahme, Kontrollüberzeugung oder "Prüfstein-Annahme" über die Wirklichkeit könnte folgendermaßen ausgedrückt werden:
"Niemand kann etwas mit Sicherheit demonstrieren."
Hier reicht es nur zu fragen: "Kannst Du das mit Sicherheit demonstrieren (,dass niemand etwas mit Sicherheit demonstrieren kann)?" Die ultimative Grundannahme des Skeptizismus ist unheilbar
selbstwiderlegend, weil sie selbst das voraussetzt oder auf dem gegründet ist, was sie leugnet. Das bedeutet, dass diese Aussage in jedem Fall falsch ist - selbst wenn man von ihrer Richtigkeit
ausgeht.
Oder wie sieht es mit dem Relativismus aus?
"Es gibt keine absolute Wahrheit."
"Ist das absolut wahr?" Hier gilt dasselbe wie schon beim Skeptizismus. Es ist nur dann absolut wahr, dass es keine absolute Wahrheit gibt, wenn es absolute Wahrheit gibt. "Absolut" heißt in
diesem Zusammenhang einfach nur, dass es wirklich wahr ist (zu jeder Zeit, an jedem Ort, für jeden Menschen).
Die ultimative Grundannahme der biblisch-christlichen Weltanschauung könnte lauten:
Die menschlichen Wesen und das Universum, das sie bewohnen, wurden von Gott erschaffen, der sich in den Schriften der Bibel offenbart hat.2
Die christlich-theistische Weltanschauung ist konsistent (zusammenhängend und widerspruchsfrei) und macht wirkliches Wissen möglich. Der beste Beweis für die Wahrheit des christlichen Theismus ist: Wenn man die christlich-theistische Weltanschauung ablehnt, verliert man jegliche Grundlage, um irgendetwas verstehen zu können, man kann nichts, zu keinem Grad der Wahrscheinlichkeit wissen. Es ist unumgänglich, dass der Mensch mit Gott anfangen muss in seinem Denken, Ihn voraussetzen muss, weil es getrennt von Ihm kein Wissen gibt:
Sprüche 1,7:
"Die Furcht des Herrn ist der ANFANG der Erkenntnis."
Kolosser 2,3:
"ALLE Schätze der Erkenntnis und der Weisheit sind verborgen in Christus Jesus."
Josef Drazil
letzte Änderung: 20.01.2015
1) Halverson, William H.: A Concise Introduction to Philosophy. 3. Aufl., New York: Random House 1976, S. 384.
2) Vgl. Nash, Ronald H.: Worldviews in conflict. Choosing Christianity in the world of ideas. Michigan: Zondervan Publishing House 1992, S. 51-52.